Wo liegt ein sinnvoller Stopp-Loss? Das sollten Sie wissen!

Wo liegt ein sinnvoller Stopp-Loss? Das sollten Sie wissen!

Urban Jäkle
Urban Jäkle

In der Literatur gibt es sehr viele Untersuchungen zu sinnvollen Einstiegen. 

Es gibt hunderte verschiedene Methoden dazu und fast jeder hat eine andere Philosophie, seine Positionen auszusuchen um am gewinnbringendsten in den Markt zu kommen.

Dagegen werden Ausstiege von vielen Tradern und Investoren eher stiefmütterlich behandelt. Obwohl jeder weiß, dass ein Stopp-Loss notwendig ist, hat ihn niemand wirklich gern.

Dabei ist ein guter Ausstieg mindestens genauso wichtig wie ein guter Einstieg. Das merken viele oft erst, wenn es zu spät ist und sie ihr Geld bereits verloren haben, weil sie den rechtzeitigen Ausstieg verpasst haben.

Dieser Artikel geht der Frage nach, welche Stopp-Abstände in größeren Aufwärtsbewegungen für Aktien sinnvoll sind.

Die Psychologie

Kennen Sie dieses Gefühl? Sie haben gerade Geld in eine Aktie investiert. Sie waren bis zu Ihrem Kauf überzeugt von Ihrer Entscheidung, denn Sie haben die Märkte und Ihre Aktie zuvor gründlich analysiert.

Und nun sind Sie im Markt und plötzlich überkommt Sie eine gewisse Angst: Sie können Geld verlieren!

Gefahren gibt es um sie herum genug und jetzt werden sie Ihnen erst richtig bewusst.

Politische Unsicherheiten wie Trump, die Große Koalition, Atomversuche in Korea, aber auch die Gefahren Ihrer einzelnen Aktie: Fälschungsskandale, mögliche schwache Quartalszahlen, Analysten-Herabstufungen oder einfach nur Gerüchte.

Alles Mögliche kann passieren und damit Ihr Geld vernichten.

Deshalb ist es wichtig, vor dem Eingehen jeder Position einen klaren Plan zu haben, wie man aus ihr wieder herauskommt, falls es doch nicht so läuft wie erhofft.

Doch welchen Stopp-Abstand nehmen Sie: 5%, 10%, 20% oder einfach einen festen Geldbetrag, den Sie riskieren wollen und alles was mehr ist, wäre zu viel und Sie ziehen die Notbremse?

Um die Frage des für Sie "richtigen" Stopp-Losses zu beantworten, ist es zunächst einmal wichtig, die Art des Einstieges und die mögliche Haltedauer zu klären.

Wozu das denn? Wir reden doch von Ausstiegen und nicht von Einstiegen?

Einfache Überlegungen zeigen, dass ein Ausstieg niemals getrennt vom jeweiligen Einstieg betrachtet werden darf.

Es ist klar, dass ein Daytrader, der nur Tagesschwankungen mitnehmen will, andere Ausstiege benötigt als ein Investor, der eine Position möglicherweise mehrere Monate oder gar Jahre halten will [2].

Weiterhin sollte man sich bewusst sein, dass die Dynamik des Einstiegs erheblichen Einfluss auf die Dynamik eines brauchbaren Ausstiegs hat.

Stellen Sie sich den Einstieg in einen ruhigen, nicht volatilen Markt vor und vergleichen Sie ihn mit dem Einstieg, der in einer Phase großer Aktivität ausgelöst wurde, zum Beispiel aufgrund eines „Nachrichtenausbruchs“.

Im ersten Fall könnte es richtig sein, für die Gewinnmitnahme nur ein kleines Gewinnziel vorzusehen, wenn sich der Markt richtungslos zur Seite bewegt. Im zweiten Fall wird ein weiter Stopp sinnvoller sein, der dem Trade genügend Raum lässt sich zu entwickeln.

Da viele Trader nach Aktien suchen, die möglichst gleichmäßig und noch besser, möglichst lange steigen, wollen wir unsere Betrachtungen genau auf solche Werte konzentrieren.

Um diese zu finden, dient uns ein klassisches Momentum-System. Das System kauft immer die Aktien, die in den letzten 90 Tagen die stärksten und zugleich stetigsten Anstiege hatten.

Wo liegt der Stopp-Loss? Zwei Beispiele

Wir möchten nun an dem langen Trend teilhaben, ohne durch unseren Stopp zu früh aus dem Markt geworfen zu werden (Abbildung 1).

Stopp Loss SiltronicAbbildung 1: Wo liegt ein passender Stopp-Loss?
Oben: Aktie der Siltronic AG, Tageschart von November 2016 - Februar 2018. Unten: Der Einstieg wird durch einen Trendindikator (Urban-Stocks) ausgelöst, der die relative Stärke der Aktie anzeigt.

Auf den ersten Blick sieht der Anstieg sehr geradlinig und stetig aus. Trotzdem lohnt ein genauerer Blick darauf, wie hoch die größten Rückgänge während des Anstiegs im Einzelnen sind. Denn aus diesen Rückgängen lassen sich sinnvolle Stopp-Abstände ableiten, beispielsweise zum Setzen eines sog. "Trailing-Stopps".

Diese Stopp-Art wird immer mit dem Kurs nachgezogen, um angefallene Gewinne jederzeit gegen Rückschläge abzusichern. Im Folgenden ist mit Stopp in diesem Artikel immer ein Trailing-Stopp gemeint.

Stopp Loss Siltronic2Abbildung 2: Grösste Rückgänge in langem Anstieg
Aktie der Siltronic AG von November 2016 bis Februar 2018.
(TAI-PAN Börsensoftware)

Wie Sie sehen, beträgt der erste Rückgang knapp zwei Monate nach dem Einstieg bereits satte 18%. Denn in dieser im Nachhinein winzig aussehenden Korrektur im Dezember 2016 fiel die Aktie von 44 Euro auf 36 Euro.

Das sind 8 Euro oder umgerechnet in Prozent 8 Euro/44 Euro = 18,9%! Falls Sie diesen Rückgang nicht ausgehalten hätten, dann hätten Sie den nachfolgenden Anstieg, der im November 2017 bis auf 140 Euro führte, verpasst.

Aber auch in dieser weiteren Aufwärtsbewegung folgen viele weitere Rückgänge in dieser Größenordnung um 20 % und teilweise knapp darüber. Das ist erstaunlich viel- sieht der Aufwärtstrend doch relativ stetig aus.

Andererseits sollten Sie bedenken, dass es sich bei der Siltronic AG um einen Halbleiterwert aus dem TecDAX handelt. Solche Werte neigen natürlich immer zu höheren Schwankungen.

Schauen wir uns noch ein zweites Beispiel an. Dieses Mal betrachten wir den Anstieg einer schwankungsärmeren Aktie aus dem DAX (Abbildung 3).

Stopp Loss LufthansaAbbildung 3: Rückgänge bei einer weniger volatilen DAX-Aktie
Oben: Aktie der Lufthansa AG, Tageschart von Januar 2017 - Februar 2018. Unten: Der Einstieg wird wieder durch den Trendindikator (Urban-Stocks) ausgelöst, der die relative Stärke der Aktie anzeigt.

Bei der Lufthansa Aktie hätte ein Trailing-Stopp von 15% den monatelangen Anstieg knapp überlebt, auch wenn es im Juli/August kurz vor der Air Berlin Übernahme mit -14% auch mal deutlicher bergab ging.

Der größte Rückgang dieser sehr stabilen Aktie, die zudem fundamental immer noch recht günstig bewertet ist kam erst mit der größeren Korrektur Januar 2018. Selbst diese fiel mit -16% aber noch recht moderat aus.

Wie weit muss man also letztlich einen sinnvollen Stopp setzen, wenn man große Gewinne in langen Aufwärtstrends erzielen will?

Betrachten wir zur Beantwortung dieser Frage sowohl Untersuchungen aus der aktuellen Literatur als auch eigene durchgeführte Backtests auf dem HDAX (der die 30 DAX Werte, 50 MDAX Werte und 30 TecDAX Werte enthält).

Ein Stopp hilft, falls er richtig gewählt wird Quantitative Untersuchungen

Die Chinesen Han und Zhou untersuchten sämtliche in den USA an NYSE, AMEX, und Nasdaq gelisteten Aktien im Zeitraum von 1926 bis 2013!

Zum Einstieg verwendeten sie eine einfache Momentum-Strategie, welche Monat für Monat immer die 10 Prozent Aktien mit den höchsten Preisanstiegen in den letzten sechs Monaten verzeichneten [3].

Ihr wichtigstes Ergebnis ist, dass ein Stopp-Loss Abstand von 15 % in dieser Strategie im Durchschnitt über alle Aktien die maximalen monatlichen Rückgänge von fast 50% auf etwa 17% reduziert und gleichzeitig das Ertrags/Risiko-Verhältnis (Sharpe-Ratio) verdoppelt hätte.

Der 15% Stopp hilft also eindeutig zur Reduzierung von Verlusten und hilft langfristig, Gewinne anzusammeln.

Leider gehen die Autoren nicht gezielt der Frage nach, ob es noch andere Stopp-Abstände mit ähnlich guten Ergebnissen gibt.

Betrachtet man damit im Zeitraum von 1990 bis 2018 ein Universum der jeweils stärksten HDAX-Aktien, so kann man darin die Stopp-Weite gezielt verändern (Abbildung 4.)

Man kauft also immer diejenigen Werte, welche in den letzten 90 Tagen die stärksten und zugleich stetigsten Anstiege hinter sich hatten.

Und für all diese gekauften Aktien wird geschaut, was der jeweils beste Abstand des Trailing-Stopps ist.

Trailing StoppAbbildung 4: Gewinn in Abhängigkeit des Stopp-Loss-Abstandes für die jeweils 10 stärksten Aktien aus dem HDAX (berechnet mit dem Trendstärke Indikator Urban-Stocks)

Nach rechts aufgetragen ist der Abstand des Stopps. Ganz links wäre der Stopp-Loss 1% entfernt- am rechten Rand sind es 40%.

Diese Grafik zeigt, dass zu enge Stopp-Losses im Bereich unter etwa 17% die Gewinne schmälern. Und je enger der Trailing-Stopp gewählt wird, desto kleiner sind die Gewinne.

Die Siltronic-Aktie ist also nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel.

Sinnvolle Stopp-Abstände für Aktien in starken Aufwärtstrends beginnen in dem Bereich bei etwa 15%, die auch in dem oben besprochenen Paper von Han und Zhou genannt wurden.

Das Absurde ist also:

Wollen Sie Ihre Gewinne durch enge Stopps absichern, erreichen Sie letztlich das Gegenteil. Um lange Trends mitzunehmen und hohe Gewinne einzufahren, müssen Sie den Aktienmärkten genügend Luft zum Atmen geben.

Die Märkte sind so gebaut, dass zittrige Anleger immer wieder in Korrekturphasen abgeschüttelt werden.

Eine einfache Lösung für die Praxis

Andreas Clenow liefert in seinem Buch "Stocks on the Move" ein komplettes Handelssystem auf Basis von Momentum [4]. Er kauft jeweils Aktien, die in den letzten 4 Monaten eine starke Aufwärtsbewegung begonnen haben. Als Stopp-Loss verwendet er ausschließlich den 100-Tage Durchschnitt (Abbildung 3).

Wie dieses Beispiel zeigt, hätte man mit diesem einfachen Stopp einen Grossteil des Aufwärtstrends mitnehmen können und wäre bei der Lufthansa Aktie erst im Januar 2018 bei über 28 Euro ausgestoppt worden.

Bei der Siltronic-Aktie hätte die 100-Tage Linie als Stopp den Anstieg erst bei etwa 80 Euro im August unterbrochen. Dann hätte sich die Frage nach einem Wiedereinstieg gestellt, aber das ist ein eigenes Thema.

Die 100-Tage Linie liegt in starken Anstiegsphasen meist etwa 20-40% unter dem Aktienkurs und kommt in Seitwärtsphasen näher heran (je nach Volatilität der Aktie).

Dieses Verhalten ist in etwa das, was man als Händler will. Es lässt die Gewinne in den Anstiegsphasen großzügig laufen und stoppt uns knapper aus, sobald der Markt in eine Korrekturphase gerät.

Fazit

Wie groß letztlich der Stopp-Abstand ist, hat Einfluss auf Ihre Ergebnisse. Zu enge Stopps im Bereich von 1-15% begrenzen etwas Ihre Gewinne.

Stopps ab etwa 15-20% funktionieren langfristig besser, können im Einzelfall einer volatilen Aktie wie der Siltronic aber trotzdem manchmal noch zu eng sein. Einfache Mittel wie ein 100-Tage Durchschnitt sind sicher keine Allheilmittel, aber in der Praxis nicht die schlechtesten.

Welchen Stopp Sie letztlich verwenden, hängt nicht nur von Ihrer Risikotoleranz ab, sondern auch von weiteren Faktoren wie Ihrem Gesamtportfolio, der historischen Schwankung der Aktie usw.

Klar ist aber: Sie brauchen in jedem Fall eine Absicherung- das hat uns der Jahresanfang mit seinen plötzlichen großen Verlusten schnell wieder vor Augen geführt.

Sie sollten sich bei jedem Einstieg in Aktie auch mit Ihrem Ausstieg beschäftigen, denn dort wird langfristig das Geld verdient.

Ich freue mich auf die Beantwortung der Fragen und einen gerne regen Austausch mit Gleichgesinnten.

Herzliche Grüße Ihr
Urban Jäkle


Literatur:

[1] Kent Daniel,Tobias J.Moskowitz, Momentum crashes, Nov 2016, Journal of Financial Economics

[2] Die Entwicklung von Ausstiegsstrategien; für Daytrading-Systeme in liquiden Märkten, Emilio Tomasini, Urban Jäkle, TRADERS' , April 2006.

Download: http://www.urban-stocks.com/images/pdf/TRADERS/Ausstiege-finden-Teil-1.pdf

[3] Han, Yufeng and Zhou, Guofu and Zhu, Yingzi, Taming Momentum Crashes: A Simple Stop-Loss Strategy (September 24, 2016). Download https://ssrn.com/abstract=2407199 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2407199

[4] Andreas Clenow, Buch "Stocks on the Move- So schlagen Sie den Markt mit den Momentum-Strategien der Hedgefonds", Börsenbuch-Verlag, 2015


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Schon bald nach seinem Physikstudium im Jahre 1995 begann Urban Jäkle mit der Entwicklung von Handelssystemen, d.h. der Programmierung von Handelsideen in reproduzierbare Algorithmen. Er arbeitete einige Jahre im Risikomanagement für einen Broker in Bad Homburg und setzte seine Strategien für eine süddeutsche Vermögensverwaltung um. Weitere Informationen dazu finden Sie auf seiner Webseite www.Urban-Stocks.com
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